Feinheit-Bericht zeigt: Google behindert Suchtprävention
Von Stephanie Auderset | Online Marketing | 27.11.2023
Internetkonzerne blockieren Werbung, die Menschen mit Suchtproblemen helfen könnte. Im Auftrag des BAG haben wir einen Bericht erstellt, der Restriktionen in der Suchmaschine von Google aufzeigt. Besonders irritierend ist, dass die Alkoholindustrie oder Casinos Vorteile gegenüber Organisationen für Suchthilfe und Suchtprävention haben.
Stell dir vor, du verzockst regelmässig Geld bei Glücksspielen im Internet. Du kannst es einfach nicht lassen. Wie kommst du bloss davon weg?! Hm, vielleicht mal Google fragen oder ein Video auf YouTube suchen. Doch hoppla: Statt auf Ratschläge stösst du zuerst einmal auf Werbeanzeigen von Geldspiel-Anbietern.
Das beschriebene Szenario ist kein Hirngespinst, sondern passiert immer wieder so:
«Google behindert seit Jahren bezahlte Werbeanzeigen von Organisationen für Suchthilfe und Suchtprävention. Konkret ist Werbung auf bestimmte Suchbegriffe wie ‹Sucht›, ‹Suchthilfe› oder ‹süchtig› nicht zugelassen. Auch bezahlte Video-Kampagnen auf YouTube werden blockiert. Viele Anbieter von legalen Produkten mit Suchtpotenzial können indessen ungehindert Werbung auf Wörter wie ‹Casino› oder ‹Alkohol› schalten.»
So sind wir auf das Problem gestossen
Viele Anbieter von legalen Produkten mit Suchtpotenzial können indessen ungehindert Werbung schalten.
Dass bezahlte Werbung rund ums Thema Sucht gesperrt wird, haben wir beim Online Marketing für Projekte von verschiedenen Fachorganisationen erlebt. Darunter:
- Suchmaschinenoptimierung für die Beratungsplattform SafeZone.ch
- Ja-Kampagne für die Volksinitiative «Kinder ohne Tabak»
- Nationale Präventionskampagne zum Thema Spielsucht
Neben Google Ads waren übrigens auch Werbeanzeigen auf Social Media wie Facebook, Instagram und TikTok betroffen.
Unser Partner Moritz Friess war in mehrere der Projekte involviert: «Mich trieb um, dass die Einschränkungen unübersichtlich und willkürlich waren. Ausserdem war das Problem nur wenigen Fachpersonen überhaupt bekannt und konnte nicht koordiniert angegangen werden.»
Deshalb hat Moritz über die Nationale Arbeitsgemeinschaft Suchtpolitik (NAS) das Bundesamt für Gesundheit (BAG) auf das Problem aufmerksam gemacht. Mit Erfolg! Das BAG bat uns, einen ausführlichen und einfach verständlichen Bericht zu Google Ads im Bereich Suchthilfe und Suchtprävention zu erstellen. Zwei Ziele hat sich das BAG dabei gesetzt: 1) Wissen zur aktuellen Situation aufzubauen und 2) möglichst konkrete Empfehlungen festzuhalten.
Podcast «FeinTalk:Shorts»: Moritz gibt Einblick, wie es zum Bericht kam.
Das steht im Bericht zu Google Ads
Mit diesem Bericht ist nun erstmals dokumentiert und weitergegeben, was bisher nur vereinzelten Fachpersonen aus Suchtberatung und Kommunikation bekannt war.
So zeichnet der Bericht nach, wie es zu den Einschränkungen von Google gekommen sein dürfte (Opioid-Krise in den USA), welche Tragweite sie für Suchthilfe und Suchtprävention haben (fehlendes Puzzleteil im Medienmix) und wie die Fachorganisationen aktuell damit umgehen (von Umgehen über Suchmaschinenoptimierung bis hin zu Ausweichen). Um diese Informationen zusammenzutragen, haben wir Desk Research betrieben und mit Fachpersonen aus verschiedenen Organisationen gesprochen.
Hier gibt’s den vollständigen Bericht:
Unser Bericht kommt zum Schluss: Der Status Quo ist nicht haltbar. Ausserdem halten wir darin Empfehlungen zu Suchthilfe und Suchtprävention via Suchmaschine fest. Dabei handelt es sich einerseits um Ratschläge für Fachorganisationen, andererseits um Forderungen, die sich direkt an Google richten.
Wie verändern wir etwas?
Für Moritz ist klar: «Ideal ist, wenn das BAG nun mit Google ins Gespräch tritt, um eine nationale Lösung anzustreben. Die Fachorganisationen können auf sich allein gestellt kaum etwas gegenüber dem Internetgiganten erreichen.»
Allgemein ist es aus unserer Sicht ein Muss, die Regeln von grossen Technologiekonzernen wie Google, Meta (Facebook und Instagram) oder ByteDance (TikTok) zu beobachten und kritisch zu hinterfragen. Auch die Behörden sollten ein Interesse daran haben, denn im digitalen Zeitalter können solche Regeln immense gesellschaftliche Auswirkungen haben.
Wir freuen uns sehr, dass das BAG in diesem Fall hellhörig geworden ist und uns mit dem Bericht zu Google Ads im Bereich Suchthilfe und Suchtprävention beauftragt hat. Darin komme die Feinheit-DNA ganz und gar zur Geltung, sagt Moritz: «Wir sind seit jeher an der Schnittstelle von Kommunikation und Digitalisierung tätig. Uns geht es darum, Technologie und ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft verständlich zu machen. Nur so können wir damit arbeiten und auch etwas verändern.»