Was die Technologie angeht, sei Apertus nicht bahnbrechend neu, erklärte Simon Felix. Gegenüber ChatGPT und co. habe das Modell noch etwa anderthalb bis zwei Jahre Rückstand. Was Apertus interessant mache, sei aber die Offenheit und Transparenz des Modells: Apertus ist Open Source und Open Weight das Zweite seiner Art nach OLMo2 – wer über genügend Rechenleistung verfügt, könnte diese beiden Modelle theoretisch selbst nachbauen.
A propos Rechenleistung: Trainiert wurde Apertus am CSCS-Supercomputer in Lugano – klimafreundlich mit Wasserkraft und Seewasserkühlung. Die Datenbasis: ausschliesslich frei verfügbare Quellen. Diskriminierende Inhalte wurden herausgefiltert, ebenso Webseiten, die eine KI-Nutzung verbieten, und qualitativ schlechte Texte. Um diese Filterung umzusetzen, nutzte das Projektteam ein chinesisches Sprachmodell – ein pragmatischer Entscheid, der Anlass zu Kritik gab. Dennoch setzt Apertus in Sachen Datenbeschaffung neue Standards, so Felix: «Das ist ein Alleinstellungsmerkmal – und ein Statement für einen verantwortungsvollen Umgang mit Daten.»
Ein Schwerpunkt bei der Entwicklung von Apertus war auch die Mehrsprachigkeit. Neben Deutsch, Französisch, Italienisch und Englisch wurde auch Rätoromanisch berücksichtigt. Schweizerdeutsch bleibt eine Herausforderung, weil dafür kaum saubere Datensätze existieren. „Gerade Dialekte zeigen, wie stark Sprache Identität prägt – und wie anspruchsvoll KI-Entwicklung ist“, so Moritz Zumbühl.
Chancen und Grenzen
Apertus gibt es in zwei Versionen. Das grosse Modell mit 70 Milliarden Parametern sollte demnächst beim Provider Swisscom laufen. Das kleinere Modell mit 8 Milliarden Parametern eignet sich für lokale Anwendungen wie Spamfilter oder einfache KI-Funktionen.
Mit ChatGPT und co. kann Apertus (noch) nicht mithalten. Aber: „Es geht nicht um den Platz auf dem Treppchen, sondern um Kompetenzaufbau“, betonte Felix. Für die Schweiz bedeutet Apertus: eigenes Know-how, eigene Datenhoheit – und Unabhängigkeit in strategischen Fragen.
Nächste Schritte
Damit Apertus international konkurrenzfähig wird, braucht es mehr: breitere Datenpartnerschaften (z.B. mit Medienhäusern oder Archiven), Investitionen in Infrastruktur und ein konsequentes Feintuning offener Modelle für Schweizer Kontexte. Besonders spannend war der Gedanke, Inhalte der SRF-Archive einzubeziehen. Moritz Zumbühl meinte dazu: «Wenn wir es schaffen, die Schätze von SRF in ein solches Modell einzubringen, wäre das ein Quantensprung für die Qualität – und ein echter Standortvorteil.»
Fazit
Der Livestream machte deutlich: Apertus ist ein Forschungsbaustein und ein Statement. Das Modell steht für Werte wie Transparenz, Datenhoheit und Nachhaltigkeit. Für KMU, Verwaltungen und NGOs eröffnet es die Chance, KI-Lösungen zu nutzen, die mit klaren Standards entwickelt wurden – ein Anliegen, das in Zukunft an Bedeutung gewinnen dürfte.
Wer den Stream anschauen möchte: Wir haben ihn auf YouTube veröffentlicht.