Europa trennt heute nicht mehr nur Parteien voneinander, sondern spaltet viele auch gleich. Und so ist die Europa-Frage zur heissen Kartoffel geworden, die einige Parteizentralen am liebsten ganz fallen lassen würden: Denn wie soll etwa die FDP mit dem Thema punkten, wenn sie offenbar gespalten ist?
Gewöhnung ans «Gniet»
Der Frage aus dem Weg gehen kann die Politik dennoch nicht, wie Michael Hermann am Feintalk in Erinnerung rief. In den nächsten Jahren kommen drei entsprechende Initiativen (10-Millionen-Initiative, Kompass-Initiative, Neutralitäts-Initiative) sowie die Bilateralen 3 an die Urne.
Gerade bei der Abstimmung über die Bilateralen sei eine Prognose schwierig, so Hermann: Zwar wäre ein Ja mit geringen Risiken verbunden, da die Schweiz die Verträge auch wieder kündigen könne. Die Meinungsforschung zeige aber auch, dass die Bevölkerung grundsätzlich zum Status Quo neige – und der Status Quo sei inzwischen die ungeregelte Beziehung mit Europa. Sprich: Wir haben uns ans «Gniet» mit der EU gewöhnt. Und die Erfahrung gemacht, dass unsere Schweizer Welt dennoch nicht untergegangen ist.
Gefährliche Wette auf Status Quo
Wobei wir uns, wie der Bündner Nationalrat und Feinheit-Verwaltungsrat Jon Pult warnt, nicht in falscher Sicherheit wiegen sollten: In der heutigen geopolitischen Lage erhielten stabile Beziehungen zu Europa wieder eine höhere Notwendigkeit. Anders als von der SVP dargestellt, sei die Europäische Union nicht Gegnerin, sondern unsere Nachbarin und der bilaterale Weg eine Partnerschaft, die von der Schweiz so gewünscht wurde.
Später am Apéro wurde rege darüber diskutiert, auf welche Argumente eine proeuropäische Kampagne setzen müsste. Und Politikwissenschaftler Hermann und Feinheit-Verwaltungsratspräsident Pult waren sich im Grundsatz einig: Auf pro-europäischer Seite fehlt es noch an ansteckender Begeisterung. Und an genügend Befürworter:innen, die wie Pult klar sagen, wie sie es mit Europa halten.