Neue Feinheit-Partnerin: Sophie Fauser

Sophie Fauser ist neue Partnerin und Mitinhaberin der Agentur Feinheit. Die studierte Designerin prägt den Human-Centered-Design-Ansatz bei Feinheit entscheidend mit.

(Bild: Elio Donauer)

Liebe Sophie, du bist neu Partnerin bei Feinheit – höchste Zeit, dich der Öffentlichkeit vorzustellen. Erzähl doch mal, wie bist du überhaupt zu Feinheit gekommen?

Dass ich bei Feinheit gelandet bin, ist eigentlich eher ein Zufall. Ich hatte damals auch nicht geplant, länger im Agenturumfeld zu bleiben. Nach meiner abgeschlossenen Ausbildung als Designerin konnte ich in New York und Mailand Erfahrungen in Agenturen sammeln. Das war eine aufregende und inspirierende Zeit. Nach drei Jahren Ausland fand ich die Schweiz zurück und arbeitete sowohl selbstständig als auch bei verschiedenen Agenturen als Designerin; so gewann ich innerhalb kurzer Zeit einen breiten Einblick ins Schweizer Agenturleben. Ich merkte schnell, dass mich die temporeichen, kommerziellen Projekte und die damit verbundenen Kompromisse in Qualität und Stil nicht befriedigten. Zuletzt landete ich zwar bei einem wirklich tollen Team in einem jungen Unternehmen, doch dieses musste leider schliessen.

Einer der damaligen Partner bei Feinheit wurde über dieses Unternehmen auf mich aufmerksam, und lud mich zu einem Vorstellungsgespräch ein. Ich hatte mir ehrlich gesagt zweimal überlegt, ob ich überhaupt hingehen soll, weil ich das Agenturleben zu jenem Zeitpunkt eigentlich aufgeben wollte. Ich ging dann trotzdem, aus Neugierde. Das war Ende 2016 – und jetzt bin ich immer noch da. Heute bin ich froh, damals nicht leichtfertig abgesagt zu haben, weil mir sonst ein richtig tolles Team und eine Firma mit mir entsprechenden Wertevorstellungen und einer gesunden Arbeitsmoral entgangen wäre.

Du hast ursprünglich Visuelle Kommunikation an der ZHdK studiert, heute managst du komplexe Projekte und gestaltest Feinheit aktiv mit. Was hat dich dazu bewogen deine Karriere in diese Richtung zu verändern?

Karriere ist ein lustiges Stichwort, denn so eine hatte ich nicht per se geplant – zumindest nicht unter diesem Begriff. Angefangen hatte meine berufliche Laufbahn mit dem Gestalten von Büchern. Ich arbeitete aber über die Jahre in Bereichen wie Packaging, Corporate Branding, entwarf Messebauten und riesige Werbeplakate, die am Hallenstadion angebracht wurden. Ich habe also ein grosses Spektrum an Gestaltungsdimensionen umgesetzt, bevor sich meine Tätigkeiten hin zum Design nicht-materieller, digitaler Produkte bewegte.

Tatsächlich fühlte ich mich als Designerin aber stets als das letzte Glied in einer für mich faszinierenden Kette von Problemanalyse, Briefing, Überlegungen, Konzept und Ausgestaltung, was für mich unbefriedigend war. Ich hatte keine Lust mehr auf „...und die Designerin und malt es schön an.”

So begann ich meine Weiterbildung im Bereich Marketing Management und wechselte in die Projektleitung und auf die Konzept-Ebene. Heute befasse ich mich in der Rolle des konzeptionellen Leads mit Produkten, die in der Entwicklung eine neue, aber nicht minder kreative Herangehensweise fordern. Ein einfaches, funktionales digitales Tool zu kreieren ist im Hintergrund ein langer und facettenreicher Prozess. In dieser Rolle kann ich immer noch gestalten, aber mit anderen Tools und in anderen Dimensionen: mein Gestaltungsbeitrag ist nicht mehr der visuelle, sondern der funktionale, und v.a. gestalte ich den Prozess, also den Weg und die Zusammenarbeit mit Kundschaft und Team.

Das heisst?

Mein Fokus liegt auf der Koordination von Kundschaft, Erwartungshaltung und Teamorganisation und gleichzeitiger Einhaltung von Terminen und der Ablieferung guter Qualität. Digitale Projekte sind immer komplex. Oft involvieren sie zudem auf Kundenseite Personen, die selber keine oder wenig Erfahrung in der Entwicklung solcher Produkte mitbringen – was wenig verwunderlich ist: viele Unternehmen entdecken erst die neuen Möglichkeiten, die sich dabei auftun. Das ist ein schöner Prozess.

Die Koordination solcher Projekte ist ein Balanceakt, den ich so vorher nicht gekannt hatte, den ich aber spannend und herausfordernd finde – und bei dem ich nicht locker lasse, ihn immer besser hinzukriegen. Ich suche stets nach Möglichkeiten in der Prozessoptimierung, um ein qualitatives, auf die Kundschaft zugeschnittenes Produkt realisieren zu können, das einen Mehrwert bringt und gleichzeitig sowohl mein internes Team, wie auch das Team auf Kundenseite involviert und zufriedenstellt.

Du bringst unterschiedlichste Fähigkeiten aber natürlich auch eigene Werte und Visionen mit. Welche Bereiche willst du besonders aktiv mitprägen, wo setzt du wie und warum den Fokus?

Vor einiger Zeit bin ich auf den Human-Centered-Design-Ansatz gestossen. Ein Ansatz, den ich vorher nicht gekannt hatte, und der auf einmal Antworten auf diverse meiner Fragen zu geben schien. Der Ansatz beinhaltet zwei einfache Grundsätze, welche der Umsetzung von komplexen Projekten viel Sinn verleihen:

  1. Wir klären Bedürfnsse bei den effektiven Nutzer*innen, statt das Briefing der Auftraggeber*innen 1:1 zu übernehmen. Das mag die Kundschaft teilweise im ersten Moment stutzig machen, zahlt sich für diese aber später mehrfach aus. Insofern arbeiten wir stets recherchebasiert.
  2. Wir arbeiten im interdisziplinären Team – so kennen auch der Designer und die Entwicklerin die ursprüngliche Problemlage, für die es das neue digitale Puzzleteil zu kreieren gilt. Dadurch summieren sich die Kompetenzen nicht, sondern sie werden multipliziert und entfalten ihren optimalen Nutzen.

Mit dem Etablieren dieser Schaffensweise möchte ich dazu beitragen, dass wir sinnvolle Produkte entwickeln, die einen Mehrwert bieten, indem sie sich in die vorhandenen Arbeitswelten als die fehlenden Puzzleteile eingliedern. Die digitale Transformation ist kein einfacher Prozess - für niemanden. Es ist mein Anspruch, in diesem Prozess der Verschmelzung von (digitaler) Kommunikation und Kernbusiness zu unterstützen. Kund*innen, die mit uns Projekte machen, sollen sinnvolle Investitionen tätigen, die sich auszahlen.

Das laufende Jahr war aufgrund der ausserordentlichen Lage durch die Pandemie bisher für niemanden einfach. Wie hast du als neue Partnerin diese Zeit erlebt? Welche Herausforderungen konntest du besonders gut meistern?

Partnerin hin oder her: Ich finde die Entwicklung in Richtung virtuelle Meetings aus diversen Gründen sinnvoll, nicht zuletzt auch wegen der ökologischen Aspekte. Den Umgang damit haben wir bei Feinheit ziemlich schnell intus gehabt. Glücklicherweise sind wir extrem schlank organisiert und konnten uns ohne Probleme ins Home Office verschieben.

Ich muss aber doch sagen, dass die persönlichen Kontakte in dieser Zeit zu kurz kamen. Zu unserem Team gehört eine Köchin, die für uns im Normalfall drei Tage pro Woche ein feines gemeinsames Mittagessen zaubert, an den anderen Tagen kocht jemand von uns für das ganze Team. Das fiel nun komplett weg. Das gemeinsame Essen verbindet extrem und trägt mitunter zu einer wertvollen sehr engen Unternehmenskultur bei. Wir haben versucht, das aufzufangen, in bilateralen Gesprächen oder mit virtuellen Apéros, aber so gänzlich ersetzt werden konnte es nicht.

Als ‘frische’ Partnerin war ich aufgrund der ausserordentlichen Lage von Beginn weg auch auf anderen Ebenen gezwungen, folgenreiche Entscheidungen zu fällen. Ich muss aber auch betonen, dass wir als 6-köpfige Partner*innenrunde und dank unserer holakratischen Organisationsform breit aufgestellt sind. Wir haben die Herausforderungen also gemeinsam gut gemeistert.

Du bist die erste Partnerin von Feinheit – wie gehst du mit dieser Ausgangslage um, als einzige Frau in diesem Gremium präsent zu sein?

Es war höchste Zeit, dass eine Frau in diese Runde eintritt und ich setze mich dafür ein, dass wir die Partner*innenrunde in dieser Hinsicht bald auch weiterentwickeln können. Dies war tatsächlich mit ein Grund, wieso ich mich dafür entschieden habe, diese Rolle anzunehmen – ich sehe mich in diesem Rahmen auch als Vertreterin der Frauen*.

Natürlich setze ich als Frau teilweise andere Schwerpunkte als die bisherigen Partner, aber grundsätzlich hoffe ich, dass die Zugehörigkeit zu einem aller möglichen Geschlechter bald nicht mehr im Zentrum steht, wenn es um die Besetzung solcher Positionen geht. Ich sehe mich also einfach als Person, die zusammen mit anderen Menschen ein Unternehmen führt. Ein Unternehmen, das Transparenz und Qualität anstrebt und ethisch handelt.