KI und Jobs: Was kommt auf die Schweiz zu?

Welchen Einfluss hat KI bereits heute auf den Arbeitsmarkt? Mit welchen Veränderungen ist in Zukunft zu rechnen? Und wie können wir auf diese Entwicklungen politisch reagieren? Darüber sprach Moritz Zumbühl (Mitgründer und Verwaltungsrat Feinheit) im Rahmen eines Online-FeinTalks mit Danny Bürkli (Windfall Trust, Mitgründer staatslabor).

Danny unterscheidet zu Beginn der Veranstaltung drei Faktoren, die für den Einfluss von KI auf den Arbeitsmarkt entscheidend sind. Erstens spielen natürlich die Fähigkeiten von KI-Systemen eine Rolle. Ein zweiter Faktor ist der Einsatz dieser Systeme in der Arbeitswelt. Ein noch so mächtiges KI-Modell ändert nichts an der ökonomischen Situation, solange es nicht tatsächlich eingesetzt wird. Und schliesslich fragt sich drittens, mit welchen Anpassungen Unternehmen auf diese Veränderungen reagieren, ob sie also beispielsweise mehr oder weniger oder andere Arbeitskräfte einstellen.

Exponentielle Entwicklung von Fähigkeiten, erste Spuren auf dem Arbeitsmarkt

Dass sich die Fähigkeiten von KI-Modellen rasant entwickeln, ist unterdessen ein Gemeinplatz. Ein anschauliches Beispiel ist der Otter-Test von Ethan Mollick: Vor wenigen Jahren scheiterten KI-Modelle noch an der Herausforderung, ein Bild eines Otters zu generieren, der im Flugzeug WLAN verwendet. Heute können entsprechende Modelle bereits den Test auf einer Meta-Ebene illustrieren. Auch andere Benchmarks zeigen: Der exponentielle Trend bei der Entwicklung der Fähigkeiten von KI-Systemen ist ungebrochen.

Auch der Einsatz dieser Systeme nimmt deutlich zu. Eine Studie aus den USA kommt zum Schluss, dass heute doppelt so viele Firmen KI einsetzen wie noch vor zwei Jahren. Bleibt die Frage nach den Anpassungsmassnahmen. Hier ist die Evidenz etwas weniger klar. Das liegt auch daran, dass Kausalität in diesem Bereich schwer nachzuweisen ist: Wenn Dienstleistungsunternehmen heute weniger Personal einstellen als früher, könnte das an KI liegen, aber es sind auch andere Erklärungen denkbar.

Auf gesamtwirtschaftlicher Ebene seien KI-Effekte bisher kaum nachzuweisen, so Danny. Anders sehe es aber in spezifischen Branchen mit hoher KI-Betroffenheit aus: Im August 2025 fand eine vielbeachtete Studie für die USA erstmals einen Effekt bei jungen Software-Entwicklern. Auch für die Schweiz sieht die Konjunkturforschungsstelle KOF einen Rückgang der Stellenausschreibungen in Berufen mit hoher KI-Exponierung.

In Szenarien denken

Wird sich dieser Trend in Zukunft noch verstärken? Kommt es zu KI-bedingter Massenarbeitslosigkeit – oder doch bloss zu einer Veränderung von Jobprofilen? Danny ist vorsichtig mit konkreten Prognosen. Wichtig sei es, in Szenarien zu denken. Wie sieht die Welt in 30 Jahren aus, wenn sich KI-Systeme ausgehend vom Status quo nochmals transformativ verändern – und wie, wenn die technologische Entwicklung eher stagniert? Was ändert sich, wenn Staaten mit starken Interventionen reagieren, oder wenn sie umgekehrt eine laissez-faire-Politik verfolgen?

Bereits in vergleichsweise konservativen Szenarien gäbe es neben Gewinnern auch klare Verlierer – nämlich Arbeitnehmende in einzelnen Berufen, die nicht mehr gebraucht werden. In Szenarien mit einer stärkeren technologischen Entwicklung könnte es gar zu grundlegenden Umwälzungen kommen. Modellrechnungen suggerieren, dass sehr potente KI-Modelle das Verhältnis von Arbeit und Kapital grundlegend verändern könnten – die Kapitalseite könnte einen sehr viel grösseren Teil des Wirtschaftsprodukts für sich beanspruchen, während die Arbeitseinkommen stark schrumpfen würden. Dadurch wäre dann auch die fiskalische Stabilität gefährdet, da Steuern auf Arbeitseinkommen in der Schweiz einen Grossteil des Steuerertrags ausmachen, und der Gesellschaftsvertrag wäre in Frage gestellt.

Und die Gewerkschaften?

Was tun angesichts dieser unsicheren Zukunftsaussichten? In der abschliessenden Diskussion gehen Danny und Moritz unter anderem auf die Rolle der Gewerkschaften ein. Moritz macht hier drei Handlungsfelder aus: Erstens gelte es, Arbeitnehmende in besonders exponierten Berufen zu begleiten und sicherzustellen, dass die nötigen Mittel für Umschulungs- und Weiterbildungsmassnahmen zur Verfügung stehen. In Szenarien mit ganzen Branchen, die wegrationalisiert werden, stelle sich zweitens die Frage nach Umverteilung und existenzsichernden Massnahmen. Eine Schwierigkeit sei hier, dass es wohl nicht alle gleichzeitig treffen werde: Wie gross wird die Solidarität sein, wenn zunächst nur eine einzelne Branche betroffen ist? Und schliesslich gelte es drittens, auf den Abfluss von Gewinnen ins Silicon Valley zu reagieren.

Danny ergänzt, das plausibelste Szenario seien aus seiner Sicht nicht Massenentlassungen, sondern «jobless growth» – also eine Situation, in der eine Firma immer mehr Umsatz generieren kann, ohne dafür auf zusätzliche Arbeitskräfte angewiesen zu sein. Es sei nicht ganz einfach, auf solche Entwicklungen zu reagieren. Wichtig sei aber, dass Indikatoren erhoben werden, um entsprechende Entwicklungen frühzeitig zu erkennen.

Das ganze Gespräch kann hier nachgehört werden:

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