Wie starte ich einen Shitstorm? 10 Tipps aus der Praxis
Von Daniel Graf | Online Marketing | 17.06.2012
Zusammen mit Community-Expertin Barbara Schwede habe ich eine «Shitstorm-Skala» anhand von Praxisbeispielen entwickelt. Die Skala ist als Arbeitsinstrument für Social Media-Manager gedacht. Die Abstufung im Sinne einer «Rangliste» sollte vor allem zeigen: Nicht jedes laue Lüftchen ist ein Shitstorm.
Vor ein paar Wochen habe ich an der Social Media Marketing-Konferenz diese «Shitstorm-Skala» vorgestellt. Denn negative Rückmeldungen gehören zu Social Media wie der Wind zum Wetter. Panik bei kritischen Kommentaren auf Facebook und Twitter ist also fehl am Platz.
Die «Shitstorm-Skala» hat einen Nerv getroffen: Verschiedene bekannte Blogs wie t3n, Basic Thinking oder Golem haben darüber berichtet, auch Medien wie 20 Minuten, FAZ und ZEIT griffen die Geschichte auf. Ich habe daraufhin viele Anfragen von LeserInnen erhalten, die wissen wollten, was betroffene Unternehmen oder Organisationen konkret gegen einen Shitstorm tun können.
Im Netz gibt es bereits viele Rezepte dafür, wie man einen Shitstorm mit heilen Knochen überlebt. Statt diese Empfehlungen hier wiederzukäuen, möchte ich für einmal die Perspektive wechseln und fragen: Wie wird eigentlich ein erfolgreicher Shitstorm lanciert?
Empörungswellen sind selten Produkte des Zufalls, sondern die Folge von mehr oder weniger professionellen Kampagnen. Deren Ziel ist es, öffentlichen Druck zu erzeugen. Man könnte die Aktionsform auch als «virtuellen Sitzstreik» bezeichnen, womit Unternehmen, Organisationen und zunehmend auch PolitikerInnen ins Visier genommen werden.
Die Lancierung eines Shitstorms ist – trotz des unzweideutigen Begriffs – kein dreckiges Geschäft. Shitstorms gehören heute zum Handwerk von Kampagnen- und Medienprofis. Denn sie sind ein effektives und bewährtes Mittel, um Themen in den Medien zu platzieren und so Öffentlichkeit zu schaffen.
Aber wie trete ich einen Shitstorm los? Hier meine zehn Praxis-Tipps, die ich – gemeinsam mit Dominik Ryser – an einer Veranstaltung der ZPRG erstmals vorgestellt habe. Der Bernet-Blog hat bereits darüber berichtet. Dominik und ich haben uns im Mammut-Shitstorm kennen gelernt. Damals standen wir auf verschiedenen Seiten.
Tipp 1: Je grösser die Fallhöhe, desto lauter der Aufprall
Shitstorms leben von einem möglichst grossen «Empörungs-Koeffizienten». Der Mitmach-Effekt lässt sich steigern, je deutlicher die Differenz zwischen Realität und Erwartung ausfällt. Optimal ist etwa, wenn ein Marketing-Versprechen grob verletzt wird. Dazu hilft die räumliche und zeitliche Nähe zum Ereignis.
Tipp 2: Ohne Videoclips geht nichts
«Youtube speaks louder than words.» Nur effektive Clips garantieren, dass Informationen nicht nur konsumiert, sondern auch geteilt werden. Bewegte Bilder schaffen einen entscheidenden Startvorteil, weil sich die Angegriffenen meist nur mit Worten verteidigen können.
Tipp 3: Lärm senkt die Hemmschwelle
Im Vorfeld immer mehrere Personen ins Vertrauen ziehen, um gemeinsam loszuschlagen. Herrscht von Anfang an viel Getöse auf allen Kanälen, sinkt beim breiten Publikum die Hemmschwelle, selber mit zu lärmen.
Tipp 4: E-mail Bomben platzen lassen
Trotz Hype um Social Media bleibt E-mail das zentrale Mobilisierungstool. Newsletter erlauben es, zeitnah zehntausende Menschen zu informieren und zwar so, dass die Empfänger die News auch tatsächlich sehen.
Tipp 5: Am Wochenende losschlagen
Am Wochenende betreiben Unternehmen meist nur ein rudimentäres Monitoring, weil auch Social Media-Manager frei haben. Und selbst, wenn Alarm ausgelöst wird, funktionieren die internen Abläufe deutlich langsamer.
Tipp 6: Twitter als Signalrakete einsetzen
Ein Shitstorm lässt sich am effizientesten mit Tweets lancieren. Im Gegensatz zu Facebook ist Twitter offen und blitzschnell. Zudem versammeln sich hier die News-Junkies und tauchen im Nachrichtenstrom nach Perlen, die in Windeseile verbreitet werden.
Tipp 7: David gegen Goliath losschicken
Das rasche Einbinden von Einzelpersonen in die Kampagne hilft, ein sympathisches Image zu schaffen und wirkt mobilisierend. Der Gegenspieler sieht sich für seine Ausweichmanöver mit einem unübersichtlichen Terrain konfrontiert, da er in der Krisenkommunikation immer auch die Community berücksichtigen muss.
Tipp 8: Ping Pong-Spiel mit den Medien
Vereinfacht gilt: Ohne Medien, kein Shitstorm. Die Medien bringen die kritische Masse, die es braucht, um eine breite Empörungswelle loszutreten. Bereits vor dem Start sollten gezielt Medienschaffende an Bord geholt werden.
Tipp 9: Penalty versenken
Je grösser der Druck auf den Gegner, desto mehr Fehler passieren. Löschen von negativen Posts, rüpelhafte Antworten oder abgeschaltete Kommentarfunktionen sind ein Penalty für jeden Shitstorm-Macher. Screenshots sind also beliebte Beweismittel.
Tipp 10: Hartnäckig bleiben
Shitstorms bleiben dennoch immer auch Glücksache. Insbesondere Massenmedien sind unberechenbar. Oft laufen Aktionen ins Leere, weil Angegriffene – aus Arroganz, Schock oder Taktik – überhaupt nicht darauf reagieren.
Ich bin gespannt aufs Feedback (@dani_graf)!