Wie Facebook mit unseren Gefühlen spielt
Von Erich Schwarz | Online Marketing | 02.07.2014
In einem psychologischen Experiment im 2012 hat Facebook einigen Nutzern einen bewusst positiven Newsfeed übermittelt, andere kriegten künstlich einen negativ gestimmten Newsfeed. Dieser A-B-Splittest hat Ende Juni eine Kontroverse darüber erzeugt, wie weit Facebook eigentlich gehen kann.
Der Marketingfachmann kennt es aus dem Lehrbuch. Um die Effektivität von Massnahmen zu eruieren, werden zeitgleich mindestens zwei unterschiedliche Massnahmen angewendet. Die eine Hälfte der Nutzer kriegt die Infobox rechts zu sehen, die andere auf der linken Seite. Bringt bei diesem sogenannten A-B-Splittest eine Methode ein signifikant höheres Zielresultat, wird sie von nun an favorisiert.
Kein üblicher A-B-Test
Dass bei Facebook und Google dauernd die Algorithmen optimiert werden, ist kein Geheimnis. Neue Features werden bei einzeln ausgesuchten Gruppen ausprobiert und damit ihre Effektivität gemessen. Was jetzt aber stossend wirkt, ist, dass Wissenschaftler, die mit Facebook an diesem Experiment gearbeitet haben, einige berufsethische Grenzen überschritten haben. So ist es weggefallen, wie üblich das Einverständnis der Probanden vor dem Experiment einzuholen.
Aus akademischer Sicht sind die Nutzungsdaten der grossen Internetkonzerne wie Google und Facebook zudem problematisch, da kein freier Zugang zu den verwendeten Daten besteht. Kein externer Forscher kann die Untersuchung also nochmals mit einer anderen Gruppe replizieren.
Heute ist irgendwie ein düsterer Tag
Zudem macht es für die Nutzer einen Unterschied, ob Facebook wie üblich nur entscheidet, welche Posts wir im Newsfeed sehen oder ob das Unternehmen uns bestimmte Sentiments vermittelt. Das kann durchaus eine Auswirkung auf die Realität der Nutzer haben. Wer tendenziell negative Meldungen kriegt, bewertet die eigene Welt negativer, was ängstlichen Personen ernsthaften Schaden zufügen kann, so Markus Kräkenmeisters Reaktion auf den relativierenden Beitrag der bekannten Allfacebook.de.
Hier geht es nicht um eine rechtliche Frage, da die Nutzer mit ihrem Account Facebook längst die Einwilligung gegeben haben, dass sie an Experimenten teilnehmen könnten. Doch zeigt die Aufruhr im Netz, dass sich Facebook oder zumindest die beteiligten Wissenschaftler ihrer Verantwortung bewusst sein sollten. Wie Jürgen Geuter richtig anmerkt: „The scientists must have thought about that but decided not to care.“