Was braucht ein virales Video?

Zu Urgrossvaters Zeiten versuchten die Firmen noch hauptsächlich, über gedruckte Inserate in Tageszeitungen die Aufmerksamkeit ihrer potentiellen Kunden zu gewinnen. So konnten sie allerdings nur eine relativ kleine Gruppe von Personen ansprechen. Als dann das Radio aufkam, war es plötzlich möglich, grössere Gruppen anzusprechen und Gefühle für ein Produkt zu übermitteln und so ein ganz neues Werbeerlebnis zu kreieren. Dieses wurde dann jedoch mit der Einführung des Fernsehens wieder übertroffen. Heute sind wir bereits wieder einige Schritte weiter: Das Internet bietet vielfältige und häufig unterschätzte Möglichkeiten, ein Produkt zu verbreiten. Ein Begriff hat sich dabei in letzter Zeit besonders herauskristallisiert: «Virales Marketing».

Doch um was geht es hier eigentlich? Jede Firma will eine «virale Kampagne» aufbauen. Natürlich – bedeutet das doch, tausende Menschen auf einen Schlag zu erreichen und nur bedingt für die Verbreitung der Nachricht sorgen zu müssen. Die Idee hinter der viralen Verbreitung ist, dass ein Inhalt (in Form eines Videos, Textes, Bildes, o.ä.) gestreut («geseedet») wird und sich anschliessend selbständig weiter verbreitet. F.-R. Esch et al. definieren Viral Marketing folgendermassen: «Viral Marketing basiert auf dem Grundprinzip des Word-of-Mouth, das sich primär auf die persönliche Weitergabe von Informationen von Konsumenten untereinander über Leistungen und Produkte eines Unternehmens bezieht [...] Durch das Internet kann sich die Botschaft exponentiell verbreiten und schneller eine viel größere Masse an Konsumenten erreichen.» [vgl. ESCH, F.-R. et al. (2009). Virale Markenkommunikation - Wirksame Interaktion statt «Trial and Error». Marketing Review, Januar, S. 11 - 16.]

Aber wieso verbreitet sich der eine Inhalt viral und der andere nicht? Erst einmal muss gesagt sein, dass die (virale) Verbreitung eines Inhalts nur schwer vorhersehbar ist. Auch wenn er alle Bedingungen erfüllt, ist das kein Garant dafür, auch wirklich eine exponentielle Verbreitung zu erreichen. Schliesslich sind diejenigen, die für die Verbreitung sorgen, immer noch Menschen und somit nicht vollständig berechenbar. Dennoch lassen sich bei der Analyse von Videos, die sich viral verbreitet haben, einige Gemeinsamkeiten und Kategorien erkennen. Alles, was die Leute speziell oder unterhaltsam finden oder was Emotionen weckt, bringt ein gewisses Potential für eine solche Verbreitung mit. Die Verbreitung lebt ja schliesslich davon, dass man für sich selber denkt: «Dieser Inhalt hat mir gefallen / hat mich unterhalten / hat mich erstaunt / hat mich schockiert. Den muss ich unbedingt meinen Freunden zeigen.». Wenn nun die Freunde gleich denken und den Inhalt ihrerseits wieder an ihre Freunde weiterverteilen und so weiter, erreicht man eine virale Verbreitung.

Was sind denn nun die notwendigen Zutaten für eine virale Kampagne? Schaut man sich «Virale Videos» an, erkennt man zum Beispiel folgende, häufige Eigenschaften:

Humor
Grundsätzlich ist alles gut, was die Leute zum Lachen bringt. Je mehr, desto besser. Einen solchen Inhalt teilt man auch gerne seinen Freunden mit, da man ihnen so quasi etwas Gutes tut, in dem man sie erheitert.

Schadenfreude
Auch Schadenfreude ist eine Freude und deshalb werden Videos von Missgeschicken (Klassiker: Skateboard-Unfall) oder Dummheiten ebenfalls gerne den Freunden weitergeleitet.

Talent
Hierzu gehört alles, was den Betrachter ins Staunen versetzt. Ein spezielles Talent (zum Beispiel wie Roger Federer mit einem Tennis-Anschlag eine Wasserflasche vom Kopf eines anderen zu schiessen) oder eine spezielle Fähigkeit, die Aufmerksamkeit, Staunen, Ekel oder sonstige Gefühle erregt.

Sexyness
«Sex sells» zählt zwar vielleicht nicht mehr ganz so stark wie früher, ist aber trotzdem immer noch aktuell. Ein Mann zum Beispiel teilt ein Video mit schönen Frauen auch gerne mit seinen Freunden.

Twist
Auch mit etwas Unvorhergesehenem kann man den Zuschauer begeistern. Macht die Handlung eine unerwartete Kehrtwendung oder verläuft sonst ganz anders als erwartet, hat das – im Idealfall – ebenfalls einen hohen Unterhaltungswert und animiert dazu, das Video zu teilen.

«Jöh-Effekt»
Prädestiniert dafür sind kleine Tiere und Babys oder einfach alles, was irgendwie niedlich ist. Diese Art von Inhalt ist vor allem für Frauen mit ihrem natürlichen «Mutter-Instinkt» geeignet und wird von ihnen geteilt.

Technische Spezialität
Videos, die eine technische Spezialität oder Neuerung (z.B. iPhone) vorstellen, erfreuen sich auch einer grossen Beliebtheit. Hier spielt auch wieder das Staunen und unter Umständen die Vorfreude auf ein neues Gerät eine Rolle. Zielgruppe dabei sind in der Regel primär Männer.

Spezielle Machart
Technisch speziell oder extrem aufwändig produzierte Videos führen auch wieder zu einem «Wow-Effekt» und somit zu einer erhöhten Bereitschaft, das Video zu teilen.

Kurz gesagt hat alles ein virales Potential, das irgendwie Gefühle im Betrachter auslöst. Seien dies Gefühle der Freude, der Überraschung, der Bewunderung oder der Wut. Da der Mensch ein soziales Wesen ist, versucht er, diese Gefühle mit seiner Umgebung zu teilen. Die Taktik, mit dem Erzeugen von Gefühlen eine Resonanz zu erzeugen hat schon früher funktioniert, funktioniert auch heute noch und wird wahrscheinlich auch immer funktionieren, solange der Mensch imstande ist, Gefühle zu empfinden.

Beispiele

Xtreme Catapulting:

http://youtu.be/SwPG6ICwTx0

Kategorie: Talent

Ein Mann lässt sich von einem Katapult spezieller Art in den Himmel schiessen.

Megawoosh 2nd Attempt - Fail

http://youtu.be/Nhz5ShH68ik

Kategorie: Schadenfreude

Misslungener Stunt auf der Wasserrutsche. Video ist ein Fake, hat sich aber trotzdem viral verbreitet.

Pocket Parks (Mediaspree)

http://youtu.be/7Eofw-PJXwc

Kategorie: Twist

Ein angeblicher Werbefilm für ein neues, umstrittenes Business-Quartier in Berlin.

Scrabble: The Block Project

http://vimeo.com/16405326

Kategorie: Humor, Unerwartetes

Outdoor-Werbe-Kampagne für eine neue Scrabble-Version.

Du bist Terrorist

http://vimeo.com/4631958

Kategorie: Humor, Aktuell

Parodie zur Vorratsdatenspeicherung.

Charlie bit my finger

http://youtu.be/_OBlgSz8sSM

Kategorie: Jöh-Effekt

Baby beisst Bruder in den Finger.

Fat kid lands b-twist

http://youtu.be/vXv8Dk78r0k

Kategorie: Talent, Unerwartet

Ein beleibter Junge macht Kunststücke.

OK Go - End Love

http://youtu.be/V2fpgpanZAw

Kategorie: Spezielle Machart

Spezielles Stop-Motion-Musikvideo.