Vom Like zur Urne?
Von Carmen Schoder | Campaigning & Fundraising | 22.01.2015
«Politische Partizipation ist nicht mit einem Like getan», meinte kürzlich SP-Nationalrätin Jacqueline Badran an einem langen Tisch im Zentrum Karl der Grosse.
«Politische Partizipation ist nicht mit einem Like getan», meinte kürzlich SP-Nationalrätin Jacqueline Badran an einem langen Tisch im Zentrum Karl der Grosse. Die Diskussion drehte sich im Allgemeinen um junge Bürgerinnen und Bürger sowie deren erschreckend tiefe Stimmbeteiligung. Was steckt also hinter einem Like. Beziehungsweise: Wie weit reicht die Motivation eines Fans oder eines Followers in der realen Welt?
Ganz offensichtlich ist es ein digitales Commitment, eine Interessenbekundung zu einer Sache oder ein Zeichen, das jemand setzen will. Ob die Intention dahinter tatsächlich ehrliches Interesse oder Self-Branding ist, halte ich persönlich für irrelevant. Der Zweck heiligt die Mittel, sozusagen. Kürzlich hatte ich in diesem Blog darüber geschrieben, dass bei den Kandidierenden noch ein grosses digitales Potential brach liegt und sie auch in ihre Social Media-Präsenz investieren sollen. Doch Social Media-Aktivität ist speziell für Kandidierende und politische Organisationen kein Selbstzweck.
Echtes Engagement als Herausforderung
Die zentrale Frage dabei ist: Wie lässt sich das digitale Commitment der Fans und Follower in echte Partizipation umwandeln? Anders gesagt: Wie bringt man einen Facebook-Fan an die Urne? Ich behaupte, dass die Energie für Offline-Beteiligung vorhanden ist. Das schliesse ich beispielsweise aus dem jüngsten Beispiel, als landauf, landab Schweizerinnen und Schweizer auf die Strasse gingen und ihre Solidarität mit Charlie Hebdo bekundeten. Nichtsdestotrotz ist es keine leichte Aufgabe, mit der nicht nur politische Organisationen zu kämpfen haben.
Auch Nextzürich, eine Online-Partizipations-Plattform für Ideen von StadtzürcherInnen, kennt das Problem. «Wir erhalten viele Vorschläge, was man in Zürich verändern könnte», sagt Nextzürich-Gründer Markus Nollert, «allerdings ist es schwierig, diese Leute auch für Diskussionen über die konkrete Ausgestaltung ihrer Ideen zu gewinnen.» Auch FEINHEIT mobilisiert oft und gerne. Gemeinsam mit ProSolar wurde letzten Sommer die Dreckstrom-Petition lanciert, wobei eine Abgabe auf Strom aus nicht erneuerbaren Energien gefordert wurde. Es gilt grundsätzlich, die Brücke zwischen on- und offline zu schlagen und ein Bindeglied zwischen Mobilisierung, Ideenartikulation und Umsetzung zu schaffen.
Zugänglichkeit schaffen und Brücken bauen
Dieses Bindeglied kann durch intensive Prozessbegleitung geschaffen werden. Das heisst: Man muss den Leuten immer und immer wieder sagen, dass ihr digitales Commitment alleine nicht genügt, um ein reales Ziel zu erreichen. Und man muss ihnen auch immer wieder sagen, was, wann und wo sie ganz konkret etwas zur Erreichung dieses Zieles beitragen können. Das ist leichter gesagt als umgesetzt und fusst auf einer durchdachten Kommunikationsplanung.
Die Partizipation in der Politik ist allerdings etwas vielfältiger und komplexer. Unsere politischen Rechte in der Schweiz sind beneidenswert weitreichend. Es besteht dadurch die Möglichkeit, eigene Ideen tatsächlich einreichen zu können. Mit der Ausarbeitung der Gesetzestexte aber beauftragen wir die Politikerinnen und Politiker, die wir ins Parlament gewählt haben. Wir wählen jene, die wir für fähig halten, die unsere Wertvorstellungen teilen und deren politische Spezialgebiete wir für wichtig halten. Nach diesen Gesichtspunkten können Kandidierende aber nur beurteilt werden, wenn wir Wählende sie ein wenig zu kennen glauben und sie dadurch einschätzen können. Wieso also nicht das Internet, das Massenmedium schlechthin, nutzen, um als Kandidatin oder Kandidat mit der Bevölkerung in Kontakt zu treten? Und so die Brücke zwischen dem Like und der Urne zu bauen beginnen?
Carmen Schoder ist Wortsammlerin, Papierliebhaberin und Saitenschlägerin. Bei FEINHEIT kümmert sie sich um Medien und so.