«Vätern ist der Spassfaktor immer wichtig» - Interview mit Prof. Ulrike Ehlert
Von Daniel Graf | Projekte | 23.01.2014
Feinheit hilft Prof. Ehlert der Universität Zürich bei der Suche nach Vätern und Männern in Vaterfunktionen. Die Vaterumfrage des Psychologischen Instituts soll eine Lücke in der Wissenschaft schliessen. Informationen dazu im ausführlichen Interview und der Dokumentation zur Kampagne.
Ich bin selbst Vater von zwei Kindern. Was macht einen guten Papi aus?
Prof. Ehlert: Ein Mann, der sich um die Kinder kümmern will und weiss, was in der Familie läuft. Er ist keine Kopie der Mutter, sondern packt die Dinge auf seine Weise an.
Was machen Männer anders?
Väter machen sich weniger Sorgen. Sie gehen die Kinderbetreuung lässiger und spontaner an. Der Spassfaktor ist wichtiger: mit den Kindern Fussball spielen, komisches Zeug essen und am besten vor dem Fernseher.
Sorgt der Spassfaktor nicht für Konfliktpotenzial?
Der unterschiedliche Stil von Vätern bietet im Alltag Reibungsflächen. Gerade berufstätige Frauen sind gut organisiert, um alles unter einen Hut zu bringen.
Können Sie das genauer erklären?
Für Mütter ist die Knautschzone viel kleiner. Sie sind mit Kinder, Haushalt und Beruf stärker ausgelastet. Dies lässt sich nur mit guter Planung und Struktur bewältigen. Deshalb erwarten Frauen, dass alles 100 Prozent funktioniert, wenn sie Aufgaben an Männer delegieren. Klappt es nicht oder wird es anders gemacht, als sich die Mütter vorstellen, kann das zu Problemen zwischen den Eltern führen.
Fehlt es an gegenseitiger Wertschätzung?
Väter geraten in die Situation, dass Frauen ihnen sagen: «Mach das bitte so» oder «Du hilfst mir nicht genug». Solche Rückmeldungen führen dazu, dass Männer frustriert sind, weil sie nicht das Gefühl erhalten, etwas richtig zu machen.
Gibt es bei Vätern die Angst vor dem Versagen?
Ja klar! Sie sollen nach wie vor den grössten Teil des Geldes verdienen, bei der Familie stärker mitmachen und sich mit um die Kinder kümmern. Väter riskieren, wie Frauen auch, sich mit diesen Multitasking-Aufgaben zu überfordern.
Sind die Herausforderungen für Eltern gestiegen?
Das traditionelle Rollenverständnis hat sich verschoben. Mehr Frauen mit Kindern sind heute berufstätig. Die meisten Väter arbeiten weiterhin Vollzeit. Was in Haushalt und Familie anfällt, muss neu aufgeteilt werden. Jedes Paar muss für sich eine Lösung finden.
Gilt das auch für die Grossväter-Generation?
Auch Männer im Alter von 50 Jahren und älter stehen vor grundlegenden Entscheidungen. Sind die Kinder aus dem Haus, stellt sich die Frage, wie das Leben weiter gehen soll. Heute sehen sie auf der Strasse viele ältere Paar, die das Enkelkind dabei haben. Grossväter schieben nicht nur den Kinderwagen, sondern kümmern sich stärker um die Betreuung oder haben selbst noch einmal Kinder in einer neuen Partnerschaft.
Männerforschung ist eine Lücke in der Wissenschaft. Warum?
Die Wissenschaft hat sich auf die Mütter gestürzt. Inzwischen zeigen neue Studien, dass auch die Bindung zwischen Vater und Kind entscheidend für die kognitive, soziale und emotionale Entwicklung ist. Wenn ein Vater beispielsweise an einer «Neugeborenen-Depression» leidet, dann hat das auch Auswirkungen auf das Kleinkind.
Warum soll ich der Studie teilnehmen?
Als Vater erfahren sie mehr über sich selbst. Es ist gut zu wissen, wo die eigenen Stärken liegen. Bei der Bewältigung des Alltags hilft das mehr, als auf die Schwachstellen zu fokussieren. Dazu helfen Sie mit, das gesellschaftliche Bewusstsein für die Vaterrolle zu schärfen.
Was meinen Sie konkret damit?
Arbeitgeber sollten mehr Verständnis dafür entwickeln, dass Väter eine längere Auszeit nehmen, um sich um die Familie zu kümmern. Es darf nicht sein dass, sobald ein Kind krank wird, immer die Mutter zu Hause bleiben muss, wenn beide berufstätig sind.
Wer sieht meine Antworten?
Dieser Teil der Studie ist komplett anonym. Wir haben die Genehmigung der Ethikkommission der Universität Zürich, die prüft, dass alle Datenschutzbestimmungen eingehalten werden.
Interview: Daniel Graf, Kommunikation und Strategie Feinheit
Wie Feinheit bei der Suche mithalf, hier.