Uns geht es besser denn je. Deshalb kann ich mich problemlos zurückziehen.
Von Moritz Zumbühl | Team | 07.12.2020
Das Wichtigste zuerst: Ich bin unendlich dankbar für das Erlebte und gleichzeitig ziemlich müde. Es waren 14 wilde, aufregende, interessante, lehrreiche und spannende Jahre und nie im Leben hätte ich zu träumen gewagt, dass ich in dieser Zeit so viel erleben werde.
Nach 14 Jahren steige ich als Partner bei Feinheit aus. Ich bin mit Feinheit sozusagen erwachsen geworden, hab die Freude am Unternehmertum gefunden und dabei manch gröbere Schramme kassiert. Es war nicht einfach und nicht immer schön, aber es war wirklich verdammt lehrreich und ich bin glücklich sagen zu können, dass meine Begeisterung für Feinheit und unsere Arbeit nie erlosch.
Ich vergleich den Kern eines erfolgreichen Unternehmers oder einer erfolgreichen Unternehmerin immer mit einem Feuer. Solange es brennt und Wärme abgibt, funktioniert es. Solange sich ein Team ebenfalls um das Lodern der Flammen kümmert und neues Holz auflegt, gibt dieses Feuer Licht ab, zieht Kundinnen und Kunden an und kann auch für diese leuchten.
Am Unglaublichsten ist für mich rückblickend das Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, das ich erleben durfte. Bis heute müssten es an über 125 Menschen gewesen sein, die mal bei uns gearbeitet haben. Immer dann, wenn es schwierig wurde hat uns das Engagement unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weitergetragen. Öfters hab ich mich gefragt: Wieso bloss? Woher kommt dieses Engagement? Später habe ich gemerkt, dass die Sinnhaftigkeit eine Stärke von uns ist. Bei der Arbeit etwas zu tun, das man als sinnvoll empfindet ist ziemlich cool. Natürlich herrscht auch bei uns nicht immer Sonnenschein und Heiterkeit, aber die vielen tollen Projekte sind wie gut getrocknetes Brennholz. Wir sind froh und stolz, dass Feinheit gebraucht wird und wir in Zusammenarbeit mit unseren Kundinnen und Kunden einen kleinen Beitrag für eine bessere Welt leisten können.
Natürlich ist Feinheit auch ein Kind der digitalen Revolution. Wir haben mit vielen digitalen Werkzeugen sehr früh experimentiert und viele Dinge früh wieder aufgegeben. Unvergessen bleibt mir die Wahlnacht von Barack Obama, und zwar wegen zwei Dingen: Einerseits wegen seinem sensationellen Social Media Wahlkampf 2008 und der märchenhaften Wahlnacht, andererseits auch weil ich in der Wahlnacht bis 5 Uhr morgens an einem Pitch für eine riesen Facebook-App geschrieben habe. Am 5. November wurde Barack Obama Präsident und Feinheit ist mit voller Energie auf die Social Media Welle aufgesprungen. Die nächsten Jahre haben wir Unternehmen und Organisationen wie Ikea, Raiffeisen, Greenpeace und WWF in unterschiedlichen Rollen und mit vielen Partnerinnen und Partnern auf Social Media begleitet.
Ein, zwei Jahre später bin ich dann aufgewacht und war mit 27 Jahren plötzlich Chef von rund 20 Nasen. Danke Barack für die Inspiration, wär ich doch nur früher ins Bett und hätte den Pitch verloren... Dann wären auf die eine spannende Nacht weniger schlaflose Nächte gefolgt, in denen ich durchgearbeitet oder gezittert habe. Aber natürlich wäre mein Leben auch weniger spannend geworden und Feinheit hätte sich weniger prächtig entwickelt.
Wir Gründer aus der ersten Generation waren lange ein eng eingeschworenes Team. Doch meine damaligen Partner hatten eher fachliche Schwerpunkte. Die Gesamtübersicht sowie die finanzielle und personelle Verantwortung lag meistens bei mir. Auch hier gab es viel zu lernen: Wie lernt man, die richtigen Leute einzustellen? Wie entlässt man jemanden, wenn es nicht passt? Wie gibt man Aufgaben auch wieder aus der Hand? Auch hier hat das Sprichwort für mich seine Gültigkeit, dass man an seinen Aufgaben wächst und an Sicherheit gewinnt.
Meine Partnerin sagt übrigens, ich hätte die letzten 11 Jahre am Küchentisch bestimmt hundertmal gesagt, dass wir bald Konkurs gehen werden. Aber in den letzten Jahren habe das etwas abgenommen. Die Überlebensangst ist tatsächlich kleiner geworden - mit der Erfahrung, aber auch mit dem wirtschaftlichen Erfolg und der Erkenntnis, dass Feinheit nicht mehr auf wackligen Beinen steht. Nicht nur ich, auch die Firma ist erwachsen geworden. Und sie braucht mich nicht mehr als ständigen Begleiter und Aufpasser wie damals, als sie selbst noch in den Kinderschuhen steckte. Es wird künftig völlig ausreichen, wenn wir uns ab und an auf einen Kaffee treffen, die Firma und ich, und ich ihr als Verwaltungsratspräsident ein paar Ratschläge erteilen kann.