«Social Media ist keine Verkaufsmaschine»

Interview mit David Affentranger, Leiter der PR- und Kommunikationsabteilung von IKEA Schweiz

Über Social Media-Strategien, Möbel-Hacker und Shitstorms.

Wie sind Sie persönlich auf Social Media unterwegs?

Immer früh am Morgen. Das erste, was ich im Büro mache, ist ein kurzer Blick auf Plattformen wie Twitter, Facebook, Xing und Pinterest. So erhalte ich ein Update, was gerade Thema ist.

In der Schweiz nutzen wenige Pinterest. Was gefällt Ihnen daran?

Für Fotos ist es die coolste Plattform. Ich bin überzeugt, dass Bilder noch mehr Gewicht auf Social Media bekommen. Deshalb werden wir Pinterest auch bald für IKEA einsetzen.

Im Gegensatz zu vielen Unternehmen hat bei IKEA die Kommunikationsabteilung den Lead über Social Media. Zufall?

Nein, Social Media ist für IKEA keine Verkaufsmaschine. Wir haben eine neue Strategie ausgearbeitet, die den Dialog mit Kundinnen und Mitarbeitenden ins Zentrum stellt.

IKEA Schweiz hat rund 14'000 Fans auf Facebook. Etwas wenig im Vergleich zu anderen Brands.

Wir stehen noch ganz unten am Berg. Unser bisheriges Engagement auf Social Media spiegelt unsere Firmenkultur wieder. Dahinter stehen Mitarbeitende, die sich dafür begeistert haben. Jetzt wollen wir das grosse Potential weiter entwickeln.

Warum arbeitet IKEA dafür mit kleineren Agenturen zusammen?

Ich arbeite gerne auf Augenhöhe. Kleinere Agenturen wie FEINHEIT bieten einen guten Mix aus kreativer Freak-Kultur mit viel Knowhow. Das passt prima zu IKEA.

Wie viele Ressourcen werden in Social Media investiert?

Wir haben mit 60 Stellenprozent angefangen und vor kurzem unser Team mit zusätzlichen 80 Prozent aufgestockt. Damit wollen wir das «IKEA-Haus» auf Social Media einrichten. Im Erdgeschoss sind Basis-Aufgaben wie Kundenanfragen und Monitoring angesiedelt. Im ersten Stock wird sich das Wohnzimmer der «IKEA Family» mit dem Nachhaltigkeits-Balkon befinden. Und jede Zielgruppe, die wir speziell ansprechen wollen, bekommt ein eigenes Zimmer, wie beispielsweise die IKEA-Hackers.

Habe ich richtig gehört: IKEA-Hacker?

Hacker nennen wir Fans, die nicht nur Produkte kaufen, sondern umgestalten und ihr Werk beispielsweise via Facebook weiter verbreiten. Es ist beeindruckend, wie gross diese kreative Community ist.

Zurück zum beschriebenen IKEA-Haus: Klingt nach Content-Konzept.

Ja, Inhalte sind für mich auf Social Media zentral. IKEA hat über die Jahre viel Wissen rund um das Thema Wohnen aufgebaut, das wir mit unserer Kundschaft teilen möchten. In der Schweiz haben wir den 1.3 Millionen zählenden Mitgliederclub «IKEA Family». Das ist eine starke Basis für eine Online-Community.

Mit welchem Rezept will IKEA die treue Kundschaft als Facebook-Fans gewinnen?

Social Media ist keine exakte Wissenschaft, sondern eher Rock’n’Roll. Wer darauf setzt, muss bereit sein, Dinge auszuprobieren und aus Fehlern zu lernen. Klar, wir haben eine Strategie ausgearbeitet. Aber jetzt ist der Zeitpunkt, unsere Ideen zu testen.

Hilft mir IKEA auf Facebook, wenn mir die letzte Schraube fehlt, um den Schrank zusammen zu bauen?

Der Trend geht genau in diese Richtung. Immer mehr Kundenanfragen erreichen uns über Social Media. Wir brauchen aber noch etwas Zeit, um unseren Kundendienst fit für die neuen Kanäle zu machen.

Migros sind vor kurzem die Weihnachts-Guetzli um die Ohren geflogen. Ein Facebook-Kommentar hatte einen Shitstorm ausgelöst. Können Sie noch gut schlafen?

Ja. Trotzdem mache ich mir Gedanken darüber, wie wir reagieren, wenn IKEA zur Zielscheibe wird. Das Hauptproblem ist die Geschwindigkeit, mit der sich ein wütender Pulk zusammenfindet. Was früher eine Sache von ein paar Tagen war, kann sich heute innerhalb von Stunden abspielen.

Wie bereitet man sich auf einen Shitstorm vor?

Eine Voraussetzung ist ein Monitoring genauso wie eine gute Pflege der Community. Wir hatten verschiedene Fälle, in der IKEA-Fans selbst auf kritische Posts reagiert haben. Auch ein Grund, weshalb ich unsere Community nicht ruckzuck auf 200'000 hochfahren will. Mir ist der Aufbau einer treuen Fangemeinde mit hoher Interaktionsrate viel wichtiger.

Blicken wir noch über den Tellerrand. Wohin geht die Reise?

Spannend sind für mich die laufenden gesellschaftspolitischen Veränderungen. Ich sehe bei meiner Generation eine starke Ausrichtung auf uns selbst. Mit den neuen Plattformen etabliert sich eine neue Kultur des Teilens und der Zusammenarbeit. Und verblüfft hat mich auch meine Tochter: Sie ist erst 16 Monate alt, blättert aber schon schneller auf dem iPhone als ich.

Interview: Daniel Graf