Politiker: Keine Angst vor digitalem Wahlkampf
Von Carmen Schoder | Campaigning & Fundraising | 13.01.2015
»Ich wähle nicht - ich kenne diese Leute ja gar nicht!« - eine äusserst beliebte Antwort auf die Frage, wen man wähle. Klingt erst einmal vernünftig. Wieso auch eine Person in ein wichtiges Amt wählen, die man kaum kennt? Lieber das Wählen jenen überlassen, die sich in den letzten vier Jahren auch intensiv mit deren Politik auseinander gesetzt haben. Lassen wir es dahin gestellt, ob man es sich mit dieser Haltung etwas zu einfach macht (obschon: wie man die Partizipation verbessert). Wären in diesem Fall nicht die Parteien eine Hilfe, die dem Wahlvolk diese Auseinandersetzung mit Einzelpersonen in der Politik erleichterten?
Für die Kandidatinnen und Kandidaten sowie ihre Parteien drängt sich deshalb die Frage nach der Kommunikationsstrategie auf: Wie intensiv wird die Partei mit Imagewerbung beworben und wie häufig wird Wahlwerbung für einzelne Kandidierende in ihren Wahlkreisen eingesetzt? Bei den eidgenössischen Wahlen 2011 war auffällig, dass die FDP nur knapp 30% ihres Budgets für Imagewerbung verwendete, ganz im Gegensatz zur SVP und CVP: Fast 50% des Budgets floss in die Werbung für die Partei, wie Resultate aus einer sotomo-Studie zeigen.
In diesem Beitrag hier fokussieren wir uns auf die Wahlwerbung für National- und Ständeratskandidierende. Der Kern: Das wertvolle Gut Aufmerksamkeit ist der zentrale Erfolgsfaktor. Wo halten sich meine potentiellen Wählerinnen und Wähler auf und wie erreiche ich sie am besten? Oft suchen diese nämlich nicht mehr selbst aktiv nach Informationen, sondern lassen sich die Informationen zuliefern. Diese Push- und Pull-Dynamik als Zeitphänomen haben wir erst kürzlich in unserem Blog genauer analysiert.
Werden Werbeträger richtig eingesetzt?
Erstens also: Wie erreiche ich die wahlberechtigten Personen in meinem Wahlkreis am effektivsten? Und zweitens: Wie halte ich den Dialog mit ihnen aufrecht?
Die beiden meistgenutzten Werbeträger für Wahl- und Imagewerbung sind nach wie vor Plakate sowie Tages- und Wochenzeitungen. Je nach Partei beträgt der Ausgabenanteil für Plakate zwischen 50 und 80%. Die Ausgaben für digitale Werbung wurden in der sotomo-Studie indes noch nicht mal erfasst, da sie verschwindend klein sind. Das ist insofern interessant, als dass über 80% der Schweizer Bevölkerung ab 14 Jahren das Internet täglich oder mehrmals wöchentlich nutzt. Bei den unter 30-Jährigen sind es sogar 98%. Die Campaigner müssen sich also zurecht und ernsthaft fragen, ob sie hier ein offensichtliches Potential brach liegen lassen.
Neben bezahltem digitalen Werberaum bietet Social Media eine weitere Möglichkeit, die Aufmerksamkeit der Wählenden zu gewinnen, einen echten Dialog und damit Vertrauen aufzubauen. Allerdings haben noch immer viele Politikerinnen und Politiker Berührungsängste mit sozialen Medien, und noch immer argumentieren viele damit, dass sie sowieso zu wenige Fans und Follower hätten. Doch hier ist nicht die Quantität der entscheidende Faktor. Natürlich ist es bemerkenswert, wenn ein Kandidat wie SP-Nationalrat Cédric Wermuth über 23’700 Follower auf Twitter hat. Viel wichtiger ist jedoch, dass man in seinem eigenen Netzwerk relevant ist und bleibt. Ein Nationalratskandidat aus dem kleinen Kanton Zug muss absolut viel weniger Leute erreichen als ein Nationalratskandidat in einem grossen Kanton wie beispielsweise Zürich.
Brachliegendes Potential
Gemäss dem Twittermonitor des SoMePolis-Blog haben aktuell 116 Mitglieder des Parlaments einen Twitter-Account, also nicht mal die Hälfte. Das Interessante am Twittermonitor: Er misst nicht nur die Aktivität, sondern auch die Interaktivität und errechnet daraus ein entsprechendes Rating. Die Ergebnisse lassen sich u.a. nach Kammer, Fraktion und Kanton filtern, so dass die Relevanz der Parlaments-Twitterer in ihrem Wahlkreis sichtbar wird. Tatsächlich sind viele Accounts auch verlassen, das heisst seit mehreren Monaten wurde nichts mehr getweetet.
Das ist ungenutztes Potential und es sei den Politikerinnen und Politikern deshalb ans Herz gelegt, ihre Kommunikation nicht nur mit den teuren Kanälen Print und Plakat zu bestreiten.
Denn gibt es drei einfache Grundregeln im Umgang mit Social Media, die gerade für Parlamentarierinnen und Parlamentarier einen hohen Mehrwert schaffen:
- Seien Sie aktiv, posten Sie regelmässig
- Zeigen Sie Ihre Werte und Haltungen
- Seien Sie zugänglich für Feedbacks und antworten Sie regelmässig
Social Media-Präsenz kann also optimal als Ergänzung zur Imagewerbung der Partei genutzt werden und Kandidierende erhalten so die Möglichkeit, sich authentisch ihren potentiellen Wählerinnen und Wählern zu präsentieren und sich mit ihnen auszutauschen.
Die Aussage, man kenne die Kandidierenden nicht und gehe deshalb nicht wählen, entlarvt sich dann schnell als Ausrede.
Carmen Schoder ist Wortsammlerin, Papierliebhaberin und Saitenschlägerin. Bei FEINHEIT kümmert sie sich um Medien und so.
Weiterführendes:
FEINTalk 29.1.2015, 17:30 bei FEINHEIT, Molkenstrasse 21, Zürich: #Wahlen2015 – Kampagne wie üblich?
Interessiert? Dann finden Sie hier mehr Informationen und Anmeldemöglichkeit.
Anschliessender Blogbeitrag zur politischen Partizipation: Vom Like zur Urne