Mir langets! – mit Crowdfunding alles richtig gemacht
Von Simon Hugi | Campaigning & Fundraising | 28.09.2015
Die Frontseite im «20 Minuten» kaufen als Protest gegen den inhaltsleeren Wahlkampf? Dieser Student macht alles richtig.
Das Crowdfunding ist in den vergangenen Jahren zu einem immer präsenteren Teil in der digitalen Welt geworden: CD-Produktionen, Wahlkampagnen, Ausstellungen. Es gibt nichts, für was nicht Geld gesammelt wird – oft sehr erfolgreich. Und doch sorgt aktuell ein Projekt für die ganz grossen digitalen Schlagzeilen: Donat Kaufmann, Student und Musiker, will sich aus Protest gegen den inhaltsleeren Wahlkampf per Crowdfunding die Frontseite von 20 Minuten kaufen. Ein Irrsinn angesichts von 140’000 CHF Kosten? Keineswegs. Nach wenigen Tagen hat Donat 60’000 CHF von fast 6’000 Unterstützenden gesammelt. Wie kommt das? Unsere Erfolgsfaktoren für das Crowdfunding aus der Praxis:
Ein präsentes Thema
Die Wahlen stehen vor der Türe, am 18. Oktober wählen Schweizerinnen und Schweizer den National- und Ständerat. Die Parteien überbieten sich dabei bezüglich Wahlwerbung mehr denn je: Vermehrt wird bereits vom teuersten Schweizer Wahlkampf aller Zeiten gesprochen. Plakate, Videos, Inserate – die Parteien sind omnipräsent. Die Präsenz ist das eine, die fehlenden politischen Botschaften der Werbeflut das andere, was in breiteren Kreisen nicht erst seit gestern kritisch diskutiert wird. Politische Inhalte werden im Wahljahr offenbar kleingeschrieben.
Die richtige Idee
Donat hat wahrscheinlich hier und da über Form und Inhalt des aktuellen Wahlkampfs diskutiert. Als am 15. September die SVP die Frontseite von 20 Minuten kaufte, um Werbung für ihr poppiges Wahlvideo inkl. hippem Wahlsong zu machen, hatte er die zündende Idee: Wieso den Spiess nicht umkehren und gemeinsam ein Protestzeichen auf derselben Seite der Gratiszeitung setzen? Eine Aktion, die von der Zahl der solidarisierenden Leute lebt, die sich mit ihren Namen unter der Botschaft vereinen: „Aufmerksamkeit kann man kaufen, unsere Stimme nicht.“ David gegen Goliath. Die freche Antwort der breiten Massen auf das kalkulierte Tun finanzkräftiger Einzelpersonen. Eine Idee, die Dinge bewegte.
Einen authentischen Auftritt
Um ein Crowdfunding-Projekt zum Fliegen zu bringen, reicht die Idee alleine jedoch nicht: Man muss sie auch mit dem richtigen Auftritt verkaufen. Donat schnappte sich die Handykamera, setzte sich mit seiner Mütze auf das Sofa, hielt die 20 Minuten Frontseite mit dem SVP-Inserat in die Kamera und erklärte in dreieinhalb Minuten sein Projekt. Keine Highend-Video-Produktion, keine Schnitte und keine optischen Retuschen. Ein Statement, das wohl kaum 2-mal aufgenommen worden ist. Und umso mehr funktionierte. Denn der Auftritt war natürlich, direkt und glaubwürdig – passend zur erzählten Story.
Die Hilfe von Multiplikatoren
Was ein Mix eines aktuellen Themas, gepaart mit einer guten Story und einem authentischen Botschaftsträger auf Social Media auslösen kann, hat sich danach einmal mehr gezeigt. Trotzdem immer wieder faszinierend, wie ein Thema Social Media erobern kann: Multiplikatoren trugen die Crowdfunding-Aktion durchs Internet, die Medien sprangen mit Berichterstattungen auf und das Projekt erhielt innerhalb von Stunden eine Aufmerksamkeit, von der eine 20 Minuten-Frontseite nur träumen kann.
Wir ziehen den Hut und sind überzeugt: Donat sprintet in den nächsten Tagen ins Ziel.
Simon Hugi ist Campaigner mit Herz und Verstand. Als Politologe verfolgt er den Wahlkampf 24/7.
Das Projekt «Mir langets!» sammelt noch bis zum 11. Oktober.