Live-Berichterstattung vom Segelboot: Was ist das Erfolgsrezept?

Bei der Vendée Globe segeln die besten Segler*innen alleine, nonstop und ohne Hilfe um die Welt. Seit dem Start anfangs November 2020 können sie - und nur sie - dem Publikum Einblick ins Rennen gewähren. Kamerateams, Publikum oder Medienschaffende sind tausende Meilen vom Geschehen entfernt.

Charlie Dalin vom Boot Apivia (Photo: vendeeglobe.org)

Ich hatte früher keine Verbindung zum Segelsport, bin selber auch noch nie gesegelt. Anfangs November aber bin ich per Zufall über den SRF Beitrag über den Schweizer Segler Alan Roura gestolpert. Ein paar Klicks weiter sehe ich, dass beim Rennen noch ein Skipper dabei ist, der mir bekannt vorkommt. Boris Herrmann, ein deutscher Skipper aus Hamburg, der im August 2019 Greta Thunberg an den UN Klimagipfel in New York geschifft hat.

Was ist die Vendée Globe?

Seit da lässt mich dieses spezielle Segelrennen nicht mehr los, an dem Männer und Frauen alleine, komplett ohne Unterstützung und ohne Zwischenhalt einmal um die Welt segeln. Gestartet wird an der Atlantikküste von Frankreich, in les Sables d'Olonne. Von da aus waren die schnellsten beim letzten Rennen vor vier Jahren 74 Tage auf See. In der aktuellen Ausgabe dauert, wegen Wetter und anderen Umständen, alles etwas länger. Heute werden die ersten den Zielhafen nach 80 Tagen erreichen. 8 mal hat das Rennen nun bereits stattgefunden. Zu Ende segeln konnten es bis jetzt aber weniger als 100 Personen.

Neben der grundsätzlichen Faszination für dieses Rennen interessiert mich aus beruflicher Sicht aber vor allem ein anderer Aspekt: Denn ich bin der Meinung, wir können in der Content-Produktion vieles von diesem Rennen lernen, das mit eingeschränkten logistischen oder technischen Möglichkeiten auskommen muss.

Gute Vorbereitung ist alles

Gerade weil der grösste Teil der spannenden Geschichten aus dem Rennen meilenweit von Kamerateams entfernt passiert, müssen die wichtigsten Dinge vorbereitet werden. Das macht die Vendée Globe ausgezeichnet. Eine umfangreiche Website und native App bieten Historie des Rennens, allgemeine Informationen über alle Skipper, sowie einem Glossar für Segel-Laien - in der App sogar in der Form eines AR-Erlebnisses. Das Kernstück der Website und der App ist aber die Live-Map, auf der jederzeit die aktuellen Positionen der Boote sichtbar sind.

A propos ausgezeichnet: Parallel zum echten Rennen läuft eine virtuelle Regatta mit identischen Wetterbedingungen. Richtige Segel Nerds oder eSport-Fans können so vom Sofa aus an der Vendée Globe teilnehmen. Hinsichtlich Content eine sehr clevere Idee. Das Einzige, was zudem vorbereitet werden konnte, sind Video- und Fotomaterial, um es während dem Rennen für Zwischenschnitte oder andere Zwecken einzusetzen. Hierfür wurde vor dem Start des Rennens nach allen Regeln der Kunst ein Media-Day inkl. Helikopter, Kamerabooten usw. durchgeführt. Dabei begaben sich alle Boote vor der Atlantikküste in den Wettkampfmodus, um Bildmaterial zu produzieren, was möglichst nahe am Rennmodus ist. Im selben Zug wurden auch Interviews/Portraits von jeder Skipperin und jedem Skipper aufgezeichnet.

Und auch bei der Verbreitung des Contents macht die Vendée alles richtig. So gibt es renneigene Kanäle auf allen gängigen Social Media Plattformen, wobei aus meiner Sicht YouTube hervorsticht. Denn dafür hat die Vendée regelmässige eigene TV-Sendungen (Bps. Vendée Live zum Start des Rennens) mit Live-Schaltungen via YouTube-Live geschaffen.

Content von den Skippern

Und dennoch wäre trotz all dieser Vorbereitungen das mediale Erlebnis von diesem Rennen, das mehr als 2.5 Monate dauert, wie eine See ohne Wind, eine ziemliche Flaute, wenn die Skipper*innen keinen Content produzieren würden. Und so tun sie das: Den Strom dazu liefern Hydrogeneratoren, Solarzellen oder Notfalls auch Dieselgeneratoren - Strom brauchen sie sowieso für alle Instrumente zum Segeln. Damit brauchen Sie nur noch Internet via Satellit. Auch das brauchen sie, um basierend auf aktuellen Wetterdaten ihre Routen zu planen. Und zu guter Letzt brauchen sie ein Smartphone, eine Go-Pro und für saugeile Luftaufnahmen mitten in einem der Ozeane, wenns mal grad nicht so windet, eine Drohne.

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That’s it. So entstehen Einblicke ins Rennen und die Menschen an Bord mit Fotos und Videos ohne Storyboards, ohne mehrfach durchdachte und konzipierte Dramaturgie, ohne Bildstabilisatoren. Authentisch und als wäre man mitten drin. Meine drei Video-Highlights:

Von Boris Herrmann - Day 15 - 13:15 - A rare moment to enjoy!

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Von Alan Roura - #VG2020 | Jour 37 - 14 décembre 2020

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Von Alex Thomson - Onboard Update: Repairs Under Way

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Wie ihr an den Beispielen seht, hat jedes Boot seine eigenen Kanäle. Damit die aktuellen Renn-Inhalte nicht ausschliesslich auf diesen Kanälen stattfinden, werden die einzelnen Videos in Daily und Weekly Zusammenfassungen für die Kanäle des Rennen selbst aufbereitet. Um die Weekly-Zusammenfassungen anzureichern, werden diese mit Portraits aus den vorbereiteten Inhalten angereichert.

Weniger Profi ist mehr?

Alles nur noch spontan produzieren. Keine Storyboards mehr. Keine aufwändige Hardware, einfach nur ein Smartphone und vielleicht noch eine Drohne. Spass beiseite, so ist es nicht. Auch die Vendée Globe hat Content-Profis. Ohne geht es nicht. Aber trotzdem zeigt sich an diesem Beispiel, dass aus der Not eine Tugend gemacht werden kann und dies funktioniert. Und deshalb können wir daraus lernen:

Oft reicht es, Konzept/Strategie/Vorbereitung nur so weit wie wirklich nötig oder im Fall der Vendée Globe überhaupt möglich aufzubauen. Dabei gilt: die Vorbereitung ist das eine, die Spontanität, das Erkennen von Möglichkeiten und die flexible Einbindung von Unerwartetem. Zudem ist es oft attraktiver, wenn sich der richtige Profi im Hintergrund hält und jene befähigt, die die Geschichten so authentisch wie möglich erzählen können. Nicht nur inhaltlich, sondern auch wenn es darum geht, eine Kamera auf einen Sonnenuntergang oder sich selber zu halten.