Was tun gegen einen Fanstorm? Fallbespiel Suva

Esther Cahn arbeitet bei der Suva in Luzern als Kommunikationsspezialistin Digitale Medien und Campaigning. Suva ist der grösste Unfallversicherer der Schweiz. Die Facebook-Fanseiten, welche Esther Cahn betreut, wurden kürzlich von einem Fanstorm heimgesucht. Das Phänomen ist bisher kaum aufgefallen, sorgt aber für heisse Diskussionen unter Social Media-Fachleuten. Im Interview erzählt Esther Cahn, was im Fall der Suva geschah und welche Massnahmen sie gegen die unerwünschten Fans getroffen hat.

Hatten Sie gerade eine grössere Kampagne am Laufen?

Esther Cahn: Von Mai bis Juni lief auf Facebook unsere «Share if you Care»-Kampagne. Die Aktion hat ziemlich gut funktioniert. Sie brachte uns Traffic für unsere Facebook-Fanpage und einen soliden Zuwachs an Likes. Da sich die Kampagne viral verbreitete, haben wir die Bewerbung mit Facebook-Ads frühzeitig gestoppt.

Wann haben Sie das erste Mal bemerket, dass etwas Ungewöhnliches passiert?

Nach dem Ads-Stopp haben wir damit gerechnet, dass es ein bisschen ruhiger wird. Aber dann war auf der deutschen und auf der französischen Seite plötzlich fast mehr los als während der Kampagne. Zuerst dachten wir: wow, toll! Aber nach zwei oder drei Tagen wurden wir dann doch stutzig. Grund dafür war der sichtbare Anstieg von Posts auf unserer Wall in fremden Sprachen.

Aus welchen Ländern kamen die Fans? Und wie viele waren es im Tag?

Ein grosser Teil der Likes stammte aus Ländern ausserhalb Europas. Indien, Ägypten oder Südamerika waren stark vertreten. Angefangen hat es mit 300 Fans pro Tag. Beim Höhepunkt waren es über 3'000.

Haben sich die neuen Fans bemerkbar gemacht?

Definitiv. Wie gesagt, posten sie viel auf unsere Wall - meistens Spam. Oder sie schicken uns Nachrichten, dass wir ihre Seite liken sollen oder ähnliches. Solche Posts oder Nachrichten markieren wir konsequent als Spam und löschen sie.

Hatten Sie eine Erklärung dafür, was sich auf der Suva-Facebookseite abspielte?

Im Gegensatz zu anderen Schweizer Fanpages haben wir von Anfang an sehr viel internationalen Traffic. «Suva» heisst ja auch die Hauptstadt der Fidschi-Inseln. Im Ernst: Unsere Versicherten arbeiten in Branchen, in welchen ein grosser Teil der Angestellten aus verschiedenen Ländern kommen. Entscheidend war aber wohl, dass wir mit dem kontinuierlichen Aufbau unserer Facebook-Präsenz und der «Share if you Care»-Kampagne in irgendeinen Algorithmus von Facebook reingekommen sind. Diesem Umstand verdanken wir wohl die hohe Zahl an Facebook-Empfehlungen.

Glaubten Sie auch, Opfer einer Sabotage-Aktion geworden zu sein?

Wir haben uns selbstverständlich Gedanken gemacht, woher diese Likes plötzlich herkommen. Aber in der Facebook-Statistik war ersichtlich, dass Empfehlungen die Quelle des Fanstorms war.

Wie haben sie auf die unerwünschten Likes reagiert?

In der ersten Phase haben wir abgewartet und gedacht: Der Sturm legt sich sicher. Es wurde aber heftiger. Nach ein paar Tagen habe ich auf verschiedenen Kanälen versucht, Facebook zu kontaktieren und über das Problem zu informieren. Es irritierte mich, dass im Netz nichts über Fanstorms zu lesen war. Von Facebook gab es leider kein hilfreiches Feedback. Die Anzahl der täglich neuen Likes nahm weiter zu.

Welche Massnahmen haben Sie getroffen?

Ich nahm darauf eine Eingrenzung der Länder vor. Ich stellte Facebook so ein, dass die Seite nur noch für Menschen in Europa sichtbar war. Eine Eingrenzung nur auf die Schweiz war wegen unserem Publikum keine Option, denn unsere Versicherten stammen aus verschiedenen Ländern. Nicht wenige haben als Land ihre Heimat eingestellt, obwohl sie in der Schweiz wohnen.

Hat es funktioniert?

Teilweise. Der tägliche Zuwachs an Likes fiel schlagartig von über 3'000 auf rund 600 bis 800. Die neuen Likes kamen vorwiegend aus der Türkei und Portugal. Mir war diese Zahl immer noch zu hoch. So habe ich schweren Herzens die Empfehlungen von Facebook manuell abgestellt.

Welche offenen Fragen sind geblieben?

Ich frage mich, ob das Ganze ein Bug ist oder ob Facebook damit irgendein Ziel verfolgt, etwa eine höhere Aktivität in gewissen Ländern. Meine grösste Sorge bleibt aber, was der Fanstorm für Auswirkungen hat auf die Sichtbarkeit unserer Posts und die Interaktion mit unseren «echten» Fans. Was bedeutet es für unseren «Edgerank»?

Wie geht es weiter?

Aktuell laufen weitere Kampagnen, auch mit verschiedenen Massnahmen auf Facebook. Ich werde demnächst versuchen, die Empfehlungen wieder laufen zu lassen und schaue genau, was passiert. Falls der Fanstorm wieder losgeht, werde ich sicher schneller reagieren.

Vielen Dank für das Interview.

Interview: Daniel Graf, Kommunikation und Strategie, FEINHEIT