«Designer beziehen aus dem Netz wichtige Inspirationen»

FEINHEIT spricht mit Stilkritiker Jeroen van Rooijen über den Einfluss der Digitalisierung auf die Modewelt. Van Rooijen steuerte beim kürzlich gelaunchten Street-Style-Auftritt von Manor, #manorlive, Hinweise zu Mode, Style und Design bei, während FEINHEIT konzeptuelle Beratung leistete und die Website entwickelte.

Wie gross ist der Einfluss von digitalen Kanälen auf Modetrends?

Jeroen van Rooijen: In den letzten Jahren hat die „digitale Revolution“ auch die Modewelt erfasst – in dreierlei Hinsicht. Zum einen nutzen die Designer das Netz nicht mehr nur als als Kommunikationsplattform zur Markendarstellung, sondern beziehen daraus auch wichtige Inspirationen – siehe die „Tumblr“-Kollektion des New Yorker Duos Proenza/Schouler. Es ist evident, dass gerade Social Media für die oft sehr visuell geprägten Designer wahre Fundgruben für Ideen sind.

Zum anderen haben die digitalen „Schnellboote“, die man früher gerne Blogger nannte, die Rezeption der Mode sehr grundlegend verändert. Gute Blogs (etwa „The Sartorialist“) und digitale Mode-Plattformen („Business of Fashion“) sind heute so mächtig und wichtig wie klassische Titel wie „Vogue“ oder „Elle“.

Und schliesslich ist die „Mode von der Strasse“, wie sie auf zahllosen Street-Style-Blogs zu sehen ist, heute für die Bildung von Modetrends und die Darstellung des Zeitgeistes unentbehrlich geworden.

Wie verändern Zalando und Co. die Modewelt?

Darf ich offen reden? Für mich ist dies die hässliche Kehrseite des digitalen Umbruchs – die Tatsache, dass relativ undifferenziert auf Masse setzende Kommerzkanäle dem klassischen Handel das Leben schwer machen. Sicher, sie bieten die Convenience, vom Sofa aus seine Klamotten bestellen zu können, doch ersetzen sie bisher kaum das haptische und emotionale Erlebnis eines Einkaufsbummels. Und sie haben schon gar nicht das Know-how von passionierten Mode-Profis, sondern simulieren die Kompetenz nur wortreich.

Trotzdem saugen diese Plattformen immer mehr Marktanteile ab und drängen die innovativen Boutiquen immer mehr in die Rolle von „Schaufenstern“ oder „Showrooms“, wo man allenfalls noch ein bisschen schmökern geht, bevor man das Produkt dann online zum besten Preis irgendwo bestellt. Vor dieser Entwicklung und Ent-Spezialisierung der Mode graut mir.

Inwieweit orientieren sich KonsumentInnen an Expertenstimmen, Meinungen von Freundinnen oder Illustrierten?

Ich denke, dass die Meinungsbildung heute auf vielen Kanälen geschieht. Klar, es steht einem durchs Internet die ganze Welt offen – wir sehen mit einem Klick, wie sich Menschen in anderen Weltstädten anziehen. Und sind dann doch oft ernüchtert zu sehen, dass die Globalisierung der Mode durch die grossen Ketten die regionalen Unterschiede getilgt hat. Praktisch überall wird mehr oder weniger dasselbe getragen.

Deswegen spielt auch die Orientierung im Regionalen eine Rolle. Das decken Titel mit lokalen Kenntnissen besser ab als internationale Medien. Die Umschau in der eigenen Umgebung bietet Halt, gibt einem Sicherheit und Geborgenheit.

Schliesslich neigt auch der digitale Mensch immer noch zur „taille humaine“, zu einem lokalen Bezug, den er selbst ermessen kann. Und darum wird auch immer wichtig bleiben, was die Freundin, die Eltern, die Clique trägt bzw. zum eigenen Styling sagt.

Jeroen van Rooijen, 44, ist ausgebildeter Modedesigner, multimedial tätiger Stilkritiker (NZZ, SRF3, internationale Magazine wie Flair, Elle, Gala, Manual) und betreibt einen eigenen Stil-Channel unter vanrooijen.ch.

Interview: Erich Schwarz

Mehr Informationen zum Projekt #manorlive finden Sie hier.