Das eigene Leben in Buchform

Älteren Menschen wurde ermöglicht, ihre Geschichten weiterzugeben. Gespräch mit dem Projektleiter Frerk Froböse.

Das Leben ist voller Erlebnisse. Diese für seine Nächsten schriftlich weitergeben zu können, ist ein Wunsch vieler älterer Menschen. Das Pilotprojekt der Edition Unik ermöglichte 47 Personen genau dies und begleitete sie auf dem langen Weg von den ersten Gedanken bis zum fertigen Buch. Projektleiter Frerk Froböse von Heller Enterprises im Gespräch.

Während des Pilotprojekts haben 47 von 65 Personen zwischen Januar und Juni 2015 ihre Geschichte verfasst. Was brauchte es, damit es so gut laufen konnte?

Den Schreibenden war von Anfang an klar, mit welchen Erlebnissen sie sich beschäftigen wollen, da brauchten sie keine Hilfe. Wir haben ihnen einfach den Rahmen geboten, diese Geschichten in Eigenregie schreiben und publizieren zu können, das war das Entscheidendste. Beim Schreiben war es dann für die meisten auch wichtig, ein Gegenüber zu haben, dem sie die Geschichte erzählen. Das passte zu unserem Claim Erinnerungen schreiben und schenken.

Was waren das für Geschichten? Gab es erkennbare Gemeinsamkeiten?

Da wir das Erinnern an das eigene Leben ins Zentrum des Schreibprozesses gestellt haben, ging es den Leuten beim Schreiben um Persönliches: Liebesgeschichten, die Geburten der eigenen Kinder oder Erlebnisse aus einer spannenden Jugendzeit. Aber auch traumatische Erlebnisse wurden niedergeschrieben. Andere sind aber beispielsweise auch von Kunstwerken ausgegangen, denen sie in ihrem Leben begegnet sind.

Was soll mit diesen Büchern geschehen?

Ein Buch zu lesen, dass eine geliebte Person geschrieben hat – das ist im Idealfall ein gegenseitiges Beschenken. Die Angehörigen, die die Bücher bekommen, können mit ihrer Aufmerksamkeit des Lesens und einem Feedback den Schreibenden etwas zurückgeben. So wird ein ganz neuer Austausch zwischen Menschen unterschiedlicher Generationen angestossen.

War es einfach, genügend Leute zu finden, die im Projekt schreiben wollten?

Natürlich war es eine Herausforderung an interessierte ältere Personen zu gelangen. Dank unserer Partnerschaft mit dem Migros-Kulturprozent und der Online-Plattform Seniorweb bekamen wir eine grössere Reichweite. An und für sich ist das Bedürfnis, Geschichten weiterzugeben, schon da. Das sieht man schon daran, dass wir schliesslich nicht alle Interessierte, die sich bei uns gemeldet hatten, im Pilotprojekt aufnehmen konnten.

Und wie erging es den Schreibenden während des Herstellungsprozesses?

Die Leute haben sich länger und intensiver im Prozess engagiert, als ich dachte. Eine Überraschung war, dass die gemeinsamen Workshops schliesslich weniger für den Austausch von Texten genutzt wurden, sondern um sich mit jenen unkompliziert zu treffen, die dasselbe durchmachten. Das Gemeinschaftsgefühl erwies sich also als zentral.

Und wie geht es weiter?

Wir sind gespannt darauf, ob die 47 Autorinnen und Autoren weiter schreiben wollen – jetzt, nachdem sie den Prozess kennengelernt haben. Für uns stehen neben weiteren Schreibrunden auch weitergehende Optionen im Raum: z.B. könnten wir mit dem Fundus an Geschichten ein öffentliches Archiv erschaffen, durch das wir themen- oder zeitspezifische Betrachtungen als Sammelbände herausgeben könnten. Oder wegen des genannten Gemeinschaftsgefühls schwebt uns die Idee vor, ein Café-Format zu entwickeln, wo sich Schreibende treffen könnten – und zwar unabhängig davon, ob sie am Anfang oder am Ende des Publikationsprozesses stehen.

Frerk Froböse ist im Büro von Martin Heller, Heller Enterprises, zuständig für Projekte und Inhalte. Er leitet dort die Entwicklung der Edition Unik.

Interview: Erich Schwarz

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